Benedikt von Walter: Das digitale Chaos ist schon da!

DOZENTENINTERVIEW MIT STEINBEIS-SMI-PROFESSOR BENEDIKT VON WALTER.

 „Wir leben in einem unfertigen Zeitalter“, postuliert Benedikt von Walter. Der Steinbeis-Professor für digitale Ökonomie und Management bringt auf den Punkt, was viele seiner MBA-Studierenden fühlen – und hinterfragen: Wohin soll ich mich und mein Unternehmen im „Age of Imperfection“ bewegen?

Was ist relevant und wie erkenne ich, welche Trends ich schnell wieder vergessen kann? Natürlich hat der 40-Jährige keine Glaskugel parat; vielmehr stattet er die MBA-Anwärter mit bewährtem theoretischem Rüstzeug – wie dem Hype-Cycle oder der Netzwerkanalyse – aus. Er forscht mit ihnen und stößt im Seminar die kritische Diskussion an. Insbesondere große Konzerne sind noch im Denken des ‚Age of Perfection‘ gefangen, das den klassischen Industrien zugrunde liegt“, führt er aus. „Schon aus Sicherheitsgründen mussten immer perfekte, abgeschlossene Lösungen gefunden werden. Das ist im digitalen Kontext kaum mehr möglich.“ Google optimiert fortlaufend seinen Suchalgorithmus; was morgen auf Facebook oder YouTube Wellen schlägt, weiß niemand. Deshalb müsse man sich auf ein digitales Chaos einstellen: „Unternehmen haben berechtigterweise Angst davor, auch deshalb sind sie noch nicht weiter in der Digitalisierung.“

Modulare Angebote als Lösung

Von Walter empfiehlt Dienstleistern und Herstellern modulare Angebote, damit könne man flexibler auf die Nachfrage des Markts reagieren. „Am Beispiel von ‚Office 365‘ sieht man, dass das lokal installierte Standard-Softwarepaket nicht mehr zeitgemäß ist. Elemente für örtlich unabhängige Anwendungen auf verschiedenen Geräten sind zukunftsträchtiger.“ Das „Lego-Teil“ sei dabei brauchbarer als das „Puzzle-Teil“, das nur an einen bestimmten Platz passt. Und wenn man es schaffe, kundenindividuelle Lösungen zu präsentieren, steige auch die Zahlungsbereitschaft. „Abo-Modelle setzen sich dabei zunehmend gegen Einzelkäufe durch“, präzisiert er.
In der Chefetage noch nicht verinnerlicht
Aber sind das nicht Binsenweisheiten, bei denen jüngere Studierende nur gähnen? „Digital Natives sind zwar firm im Umgang mit dem Internet“, erklärt er, „aber nur wenige haben die Mechanismen hinter dem Erfolg der Online-Angebote verinnerlicht.“ Rund 90 Prozent der Mitarbeiter – und davon viele in der Chefetage – hätten da noch Erkenntnisbedarf. Deshalb gestaltet Benedikt von Walter seine Veranstaltungen gerne als Workshops, um das Fachwissen der einzelnen Teilnehmer einzubinden. „Steinbeis-Studenten bringen eine unglaublich spannende Vita mit“, sagt von Walter, der vor zehn Jahren an der Ludwig-Maximilians-Universität München promoviert hat. „Sie sind interessante Menschen, die voneinander lernen wollen und Netzwerke für ihren beruflichen Weg knüpfen.“ Ein reines Medien MBA-E-Learning käme für den Online-Spezialisten deshalb nicht in Frage: „Nein, danke – bei der persönlichen Interaktion in der Klasse entsteht viel mehr.“


Gabriele Spiller ist Alumna der Steinbeis MedienMBA-Class of 2000 und schreibt als freie Journalistin und Kulturredakteurin in der Schweiz und in Berlin.

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